Kapitel 15 - "Ein neues Gesicht" (Unbearbeitet)

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Kapitel 15 - „Ein neues Gesicht“

   Ich sinke mit zufriedener Vorfreude in die Tiefen eines langen Traums. Um mich herum wabert das geräuschlose, unförmige „Nichts“. Ich beobachte wie es zugleich nach mir zu greifen und von mir weg zu weichen scheint. So als wollte es mich daran erinnern, dass es immer präsent ist. Egal, wie schön die virtuelle Illusion ist, dahinter ist immer das „Nichts“!
[Der Limbus …]
Aber das wird meine Laune heute nicht trüben, immerhin ist es nicht so, das ich mir der Illusion nicht bewusst wäre. Wie Tamirat sagen würde: „Ich komme her um zu träumen.“ Es wäre dumm zu denken, das irgend etwas hier drin echt ist, abgesehen von uns Spielern. Ebenso dumm wäre es sich an eine Illusion zu klammern.
Unmittelbar nachdem der formlose Ozean, in dem ich treibe, zu einem einheitlichen Grau verblasst, formt sich meine körperliche Gestalt. Kurz darauf erscheinen die Konturen eines mittelgroßen Raums, der sich zunehmend zu füllen beginnt. Zunächst größere Möbelstücke, dann zunehmend kleinere Details. Wehrendessen fliest auch immer mehr Farbe mit hinein. Erst grobe Flächen, dann Muster und Farbabstufungen. Zum Schluss flackern die Lichter des Kronleuchters, und mehrerer Laternen, die im Zimmer verteilt sind auf. Aus dem Raum führt nur eine Tür. Keine Fenster ...
Ich frage mich, was davon auf tatsächlichen Informationen des Spiels basiert und was von meinem Traum-Paradigma interpretiert wird.
Als alles fertig geladen hat, finde ich mich in einem Raum wieder, der nach Garderobe aussieht. Ein Schminktisch mit Spiegel, mit Kleidern gefüllte Regale, Ein Büchertisch und eine Vielzahl von Gimiks wie herumliegende Nadelkissen und Kleiderständer. [Die Schmiede für meinen Spiel-Charakter! Also, dann wollen wir mal sehen …]
An den Wänden hängen vergilbte Plakate, mit Karikaturen und Anweisungen was zu tun ist. Alte Pergamente, die moderne Spielmechaniken erklären. [Amüsant!]
Als erstes der Büchertisch. Hier soll ich mich für eine der Zahlreichen Klassen entscheiden, die das Spiel mir anbietet. Diese Wahl ist endgültig und kann nicht später geändert werden. Sollte ich mal später im Spiel feststellen, das mir die Klasse, die ich gewählt habe nicht liegt, müsste ich einen neuen Charakter erstellen und von vorne beginnen.
Laut Anleitung soll ich das Buch, das meine Klasse beschreibt aufheben und auf das kleine Podest daneben legen. Meine Wahl steht bereits fest. Ich nehme das Buch des Beschwörers, das einen hell-braunen Einband, mit verschiedenen darauf eingravierten Kreaturen hat und lege es auf den dafür vorgesehenen Platz. Eine Kerze, die ich bislang nicht beachtet hatte, fackelt daneben mit bräunlicher Flamme auf. Fast zeitgleich ändert sich die komplette Garderobe, die im Zimmer verteilt ist. Man will wohl, dass ich mich der Klasse entsprechend kleide.
Als nächstes der Schminktisch. Im Spiegel sehe ich das Gesicht eines glatzköpfigen Fremden, der etwas größer ist als ich. [In Unterhosen …] Ein recht verstörender Anblick. Vor dem Spiegel sind zahlreiche Gegenstände aufgereiht, die mir ermöglichen mein Aussehen anzupassen. Ich muss sie nur berühren und es erscheinen zahlreiche Schieberegler, die ermöglichen alle Gesichts und Körpermerkmale nach Wunsch anzupassen. Eine Perücke für die Frisuren, ein Maßband für die Körperbeschaffenheit, eine Maske für Gesichtskonturen, Schminke, ein primitives Tätowier-Gerät, sogar ein Messer um dem Charakter Narben zu verpassen. Für jeden was dabei.
[Was würde nicht jede Frau der Welt dafür geben, so was im realen Leben zu haben.]
Ich gehe durch die verschiedenen Optionen.
Als erstes passe ich die Körpergröße meiner eigenen an, anderenfalls würde es mich im Spiel nur irritieren, größer zu sein als ich es gewohnt bin. [Jetzt die Frisur … ] Ich gehe durch die verschiedene Haarschnitte und entscheide mich für eine schulterlange, unspektakuläre Form. [Haarfarbe? … Schwarz.] Ich erwäge kurz einen längeren Haarschnitt zu wählen, finde aber keine Frisur, die nicht mädchenhaft wirkt.
[Gesichtsbehaarung … Hmmm …] Im echten leben steht mir ein Bart einfach nicht, aber hier könnte ich es versuchen. Nach langem ausprobieren verschiedener Kombinationen bleibe ich bei einem langen Schnauzer und einem kurzen Ziegen-Bärtchen stehen.
Beim Gesicht angekommen, passe ich erst die Augen an und dann den Rest des Gesichtes, so dass ich zum Schluss ein recht mongolisches Aussehen habe. Ich bin von meiner Wahl selbst etwas überrascht, aber mir gefällt es, vor Allem wenn ich mir die dazu passende Auswahl der Kleidern ansehe.
Die Rüstungen des Beschwörers bestehen vorwiegend aus Pelz, Leder und Gurten. Das wird gut zu meinem neuen Gesicht passen.
Durch die anderen Optionen schaue ich zwar kurz durch, aber es ist nichts dabei, was mir zusagt.
In einer Ecke des Raumes steht ein langer Spiegel, in dem ich mich in voller Größe betrachten kann. Neben ihm an der Wand hängen: eine Schulterplatte, ein einfaches Hemd und ein Teuer aussehender Gürtel. Die Anleitung an der Wand erklärt, dass ich damit zwischen den Outfits wechseln kann. Offenbar steht es mir zu nicht nur meine Rüstung, sondern auch sowohl meine Alltagskleidung, als auch ein formelles Outfit zu wählen.
Die Alltagskleidung ist schnell ausgesucht. Ein weißes Hemd, braune Hose, Gürtel, Schuhe … nichts aufwendiges.
Bei der Formellen Kleidung gebe ich mir etwas mehr mühe. Ich wähle für das Hemd einen gelben, fast goldenen Farbton. Oben drüber eine rote Weste mit reicher goldener Verzierung. Dazu eine schwarze Hose, mit rot-goldenen Mustern an den Seiten, die von Vorm und Farbe her zur Weste passen. Hohe, glänzende, dunkelbraune Stiefel und einen Gürtel in der selben Farbe, mit prächtiger goldener Gürtelschnalle. Zuletzt ein leicht abstrakt wirkendes Amulett um den Hals und ein paar Ringe die mit bunten Steinen versehen sind … Formell, aber nicht Extravagant.
Als letztes noch das Outfit, das ich vermutlich am öftesten tragen werde: Die Rüstung!
Nach einigem Anprobieren entscheide ich mich für einen Ledernen Stil: Schwere Stiefel, Arm- und Bein Schienen aus geflochtenen Lederriemen, und eine ärmellose Lederrüstung mit pelzigem Kragen. Darunter gewöhnliche Kleidung. [Hmm … etwas fade …] Ich nutze nochmal die Möglichkeiten zur Anpassung und füge graue Fellfragmente hinzu, die die Schultern bedecken sollen und einen pelzigen Lendenschurz, der nach vorne offen ist und nach hinten hin länger wird. [Perfekt!]
Ich betrachte mich nochmal im Spiegel, beschließe dass ich fertig bin und wende mich zur Tür, wo mich der abschließende Teil erwartet: An der Tür hängt ein Bleistift an einem Faden und ein Zettel mit der Aufschrift {Gib deinen Namen ein}. Es gibt die Möglichkeit einen Vor- Nach- und Spitznahmen einzugeben. Wir hatten heute morgen vereinbart unsere echten Namen zu verwenden. Es weiß eh jeder wer wir sind und auf diese Weise würden wir unnötige Verwirrung vermeiden. Aber welchen Spitznahmen sollte ich nehmen? Ich werfe nochmal einen Blick in den Spiegel, und angesichts des mongolisch wirkenden Aussehens fällt mir nichts besseres ein als „Kahn“ …
[Nicolas Nakamura „Kahn“ …] Die anderen werden mich auslachen, aber was soll's …
Ich trage meinen Namen ein und die Tür wird von der anderen Seite entriegelt. [So, mal sehen was mich erwartet …]

   Da der Raum eben wie ein Hinterzimmer aussah, habe ich erwartet in einen weiteren Raum zu kommen, aber ich bin überraschenderweise im Freien gelandet. Es ist Nacht und ich stehe im Hof mehrerer Häuser, die mehr oder weniger kreisförmig angeordnet sind und sich eine Umzäunung teilen. Offenbar gehören die schlichten Holzbauten alle zur selben Anlage. Das Areal ist durch Fackeln gut beleuchtet. Ich erkenne Schießstände, Ein Gehege mit Hunden, Trainingspuppen, Waffenständer... [Es ist eine Trainingsanlage!] Auf dem Platz verteilt stehen auch mehrere wichtig aussehende Leute in der Gegend herum, alles recht rau wirkende Gesellen.
Plötzlich erschallt in meinem Kopf das Geräusch vieler kleiner Glöckchen und eine zärtliche, weibliche Stimme beginnt zu erklären:
Die Erwählten des Schicksals werden auf dem Pfad ihres Lebens geleitet. Folge dem Pfad des Schicksals!“
Als ich daraufhin nach Unten schaue, stelle ich fest, das der Boden zu meinen Füssen glitzert. Es führt ein Pfad von mir, quer über den Platz, zu einem wild aussehenden Kerl der sich am Hunde-Gehege an den Zaun lehnt. [Ah, ich verstehe …] Das ist das Quest-Leitsystem, es führt mich zum Zielort meines derzeitigen Auftrags. Es dient dazu das die Spieler sich nicht ständig verlaufen, sondern immer wissen, wo es lang geht. Die meisten Spiele bieten so etwas an. Wenn ich wollte, könnte ich es bestimmt abstellen, aber mit den Einstellungen möchte ich mich später befassen. [Na dann …]
Ich schlendere leicht angespannt, aber ohne Eile über den kleinen Platz und schaue mich dabei ein wenig um. [Ich bin in der Spielwelt! Diesmal so richtig!] Eine Welle der Begeisterung durchströmt meinen Körper. Ich fühle mich als wäre ich nach einer langen Warteschlange endlich durch die Tore eines angesagten Vergnügungsparks gegangen. [Mal sehen was für Attraktionen es zu entdecken gibt.]
Der Mann, zu dem mich der „Pfad des Schicksals“ geführt hat, ist ein großer, stämmiger, tätowierter Kerl mit blondem, zu Zöpfen geflochtenen Haar. Er trägt einen schweren, grauen Pelz über der rechten Schulter. Seine ganze Erscheinung wirkt ein wenig Barbarenhaft. Ich visiere ihn noch beim gehen, mit der bereits vertraut wirkenden Geste an:
{Hrotgar Stahlklaue}
{Ausbilder für Beschwörer}
[Er hat sogar den Namen eines Barbaren.] Meine erste Begegnung mit einem NPC, mal sehen wie realistisch die wirklich sind...
Nicolas: „Hallo!“
Hrotgar: „Willkommen Schüler! Heute ist der Tag deiner Prüfung. Es wird Zeit, das du zeigst, was du gelernt hast.“
Der erste Tag in der Spielwelt und es ist schon meine Prüfung. Aber das ist nicht überraschend, viele Spiele fangen so an. Wäre ja blöd, die zehn Jahre Ausbildung mit durchspielen zu müssen.
Nicolas: „Alles klar, was soll ich tun?“
Die Stimme des Hunnen ist Rau und autoritär:
Hrotgar: „Heute unterwirfst du deinen ersten Untergebenen. Aber zuvor will ich das du mir zeigst, dass du dich auch ohne Hilfe verteidigen kannst.“
[Oh backe …]
Hrotgar: „Ich will, dass du mir deine Angriffe an der Trainingspuppe dort vorführst.“
Er deutet auf eine Reihe aufgerichteter Strohpuppen, einige Meter weiter. [Puh, Glück gehabt] Ich habe schon befürchtet, das ich jetzt gegen ihn kämpfen müsste.
Hrotgar: „Hier, das wirst du brauchen!“
Er greift hinter den Holzzaun, an den er sich anlehnt, holt einen verzierten Holzstab heraus und streckt ihn mir entgegen. Ich nehme ihn dankend an. [Ich habe mich gerade bei einem Computerprogramm bedankt …] Im selben Moment erscheint eine Notiz vor meinen Augen:
{Neue Fähigkeit erhalten: „Stab-Kampf“}
Der stabil wirkende Stab liegt gut in der Hand, hat entlang des Schafts spiralförmig irgendwelche Symbole eingraviert und ist an der Spitze zu einer Art eiförmiger Sonne mit spitzen Zacken geformt.
Nicolas: „Bekomme ich keine Anleitung?“
Mein Leermeister schaut mich ein paar Sekunden lang mit stumpfem Blick an, bevor er antwortet. Offenbar die Zeit, die der Computer braucht um meine Frage zu analysieren und eine Antwort zu formulieren.
Hrotgar: „Schlag einfach auf die Puppe ein.“
[Simpler als erwartet …]
Ich habe die Funktionsweise meiner Klasse schon vorher ausgiebig studiert. Der Schwerpunkt des Beschwörers liegt darin sich verschiedene Kreaturen Untertan zu machen und wenn benötigt, zur Unterstützung herbei zu rufen. Meine Kampfstärke hängt also hauptsächlich von meinem Gefolge ab. Wenn diese allerdings besiegt sind, dann ist mein Stab für den Moment das einzige, was ich zu meinem Schutz habe. Sich damit vertraut zu machen, ist also keine schlechte Idee.
Während ich mich für meinen erbitterte Kampf gegen die Strohpuppe in Stellung bringe, lasse ich mein Erstes Gespräch mit dem Einheimischen auf mich wirken. Die deutliche Verzögerung bei komplexeren Interaktionen ist nicht zu übersehen, daher ist es schwer sie als wirklich „realistisch“ zu bezeichnen. Allerdings ist es auch beeindruckend, dass sie überhaupt zu so viel Interaktion fähig sind. Dadurch sind sie eindeutig flexibler als das was ich von Charakteren in spielen bisher kenne.
Ich neige meinen Körper leicht nach vorne, stoße mich mit meinem rechten Fuß ab und vollführe einen sauberen Schwung mit meiner Waffe, die im hohen Bogen mit einem dumpfen Knall im Nacken der Puppe aufschlägt.
[Was zum? … War ich das gerade?] Nein, das kann nicht sein, Ich habe überhaupt keine Erfahrung im Stab-Kampf. Das scheint ein Feature des Spiels zu sein. Vermutlich analysiert das System meine Absichten und leitet sie dann in vorgegebene Bewegungsabläufe um. Ich setze nochmal an und starte einige weitere Attacken auf meinen wehrlosen Gegner. Es sind einfache, wenn auch sehr graziöse Angriffe. Komplexere Manöver, wie Doppelschlag oder so etwas, scheinen nicht möglich zu sein.
[Das macht Spaß! …]
Ich tobe mich noch ein wenig aus, bis sich die Bewegungen nicht mehr so fremd anfühlen. Ein echter Kampf fühlt sich aber sicherlich anders an. Schlussendlich bin ich beeindruckt von meiner eigenen Leistung, auch wenn sie zu keinem Teil mein Verdienst ist. [Zeit Bericht zu erstatten.]
Hrotgar: „Das war beeindruckend! Du bist eindeutig in der Lage dich in einem Notfall zu verteidigen. Mit der Zeit wirst du bessere Waffen finden und stärkere Attacken erlernen.“
Nicolas: „Klingt gut, was kommt jetzt?
Hrotgar: „Jetzt wirst du lernen eine Kreatur zu unterwerfen! Aber zuvor musst du eine Sache verstehen: die Menge deines Gefolges ist an deine Herrschaftskraft gebunden.“
[Was? …]
Hrotgar: „Trainiere und verbessere diene Herrschaftskraft um mehr Kreaturen in dein Gefolge aufzunehmen!“
{Neue Fähigkeit erhalten: „Herrschaft“}
[Ach, das ist ein Skill! … ] Was für eine kryptische Art es zu beschreiben …
Hrotgar: „Und nun kommt der große Moment.“
Er richtet sich in voller Größe auf, wodurch er noch imposanter wirkt, und wendet sich dem Gehege zu, in dem sich einige große Hunde befinden.
Hrotgar: „Erfasse dein Ziel, konzentriere dich auf deine Verbindung mit ihm und wenn dein Geist stark genug ist, wird sich die Kreatur dir unterwerfen. Hier, ich mache es dir vor … “
Er streckt seine rechte Hand aus, als wollte er nach etwas greifen und legt seine linke Hand um das rechte Handgelenk. In seiner Hand beginnen sich bläuliche Lichtpartikel zu sammeln. Gleichzeitig fängt einer der Hunde an in der gleichen Farbe zu glimmen. Nach einigen Sekunden sprühen ein paar Funken und der Hund löst sich in einer blauen Flamme auf.
{Neue Fähigkeit erhalten: „Unterwerfen“}

Hrotgar: „Jetzt du!“


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