Der
alte Greis namens „Saren“ wirkt zwar recht in die Jahre gekommen,
aber nicht senil. Er hat eine selbstbewusste Ausstrahlung, die mich
glauben lässt, dass er jedem da draußen den Hintern versohlen
könnte, wenn er wollte, ungeachtet seines hohen Alters. An der Lehne
seines Sessels ist ein schwer aussehender Speer angelehnt, der zwar
prächtig aussieht, aber eindeutig schon bessere Tage erlebt hat. Der
schlanke Mann liegt halb in dem, mit Fellen gepolsterten, massiven
Sessel und sein langer aber dünner Bart schlängelt sich über seine
Brust wie ein Eidechsenschwanz. Seine aufmerksamen Augen beobachten
und beurteilen mich zugleich.
Saren:
„Es wird Zeit für dich das Nest zu verlassen, junger Vogel. Ich
biete dir an, dich bei deinen ersten Schritten zu leiten. Folge heute
meinen Anweisungen und nimm dir die Erfahrung und den Rat eines alten
Mannes zu Herzen, und du wirst später auch am Ende der Welt nichts
zu befürchten haben … das heißt, falls es nochmal eintreten
sollte, haaahahah … !“
Der
Alte lacht herzhaft und gibt dabei schamlos sein lückenhaftes Gebiss
preis.
Die
Junge Frau mischt sich nun auch ins Gespräch ein:
???:
„Großvater, du machst den Leuten mit deinem Gerede bloß unnötig
angst!“
Ich
Visiere sie beiläufig an. NPC's scheinen Befehlsgesten völlig zu
ignorieren, das macht es für mich einfacher.
{Raela
Manrau}
Saren:
„Na, und wenn schon! Angst bewahrt einen davor übermütige
Dummheiten zu machen!“
Er
blickt mich an und hebt belehrend seinen Zeigefinger.
Saren:
„Man darf sich nur nicht von seiner eigenen Furcht beherrschen
lassen.“
Dem
kann ich nicht widersprechen und nicke zustimmend.
Saren:
„Das Herz der Menschen hat sich seit den Tagen der großen
Katastrophe nicht verändert. Sie haben kaum dazu gelernt. Sie haben
einmal das Unheil über uns alle gebracht und sie können es auch
wieder tun. Es schadet nicht vorbereitet zu sein!“
Raela:
„Wie will man sich den bitte auf so was vorbereiten?“
Saren:
„Еs ist das Wesen des Beschwörers, jederzeit auf alles
vorbereitet zu sein. Diese Eigenschaft bestimmt seinen Weg, sein
Leben, alle seine Endscheidungen. Solche Leute werden es sein, zu
denen sich die Verzweifelten in Zeiten der Not wenden werden. Sei
stets auf alles Gefasst, und die Leute werden dir irgendwann folgen,
so wie deine Kreaturen dir jetzt folgen!“
Nicolas:
„ ... Verstehe.“
Das
war jetzt überraschend philosophisch, dieser „Ramus“ hat vorhin
etwas ähnliches gesagt. Ich vermute dieses „sei auf alles gefasst“
betrifft nicht nur meine Fähigkeiten im Kampf. Es würde mich nicht
überraschen wenn meine Klassen-Quests auch so aufgebaut sind. Der
Beschwörer ist wohl generell dazu da um als Allrounder gespielt zu
werden. Das würde mich aber daran hindern eine Spezialisierung in
einem bestimmten Bereich aufzubauen. Das sollte ich im Hinterkopf
behalten, wenn ich meine Skills aufwerte, oder neue Ausrüstung
erwerbe.
Raela:
„Bitte Großvater, er ist nicht hier für deine ideologischen
Sprüche, er will seine Prüfung ablegen!
Saren:
„Ihr junges Volk habt heute keine Geduld! Keine Zeit um der
Erfahrung und der Weisheit der Alten zu lauschen. Das verdammt euch
dazu die Fehler vergangener Generationen zu wiederholen!
Er
atmet schwermütig auf.
Saren:
„Aber meine Enkelin hat recht, es wird zeit zu sehen was du in
deiner Ausbildung hier bei uns gelernt hast.
Er
deutet mit der Hand zu der Frau, so als würde er sie mir vorstellen
wollen.
Saren:
„Raela, meine Enkeltochter, ist für die Versorgung unserer kleinen
Gemeinschaft hier zuständig, seit kürzerem hat sie ein Problem
dabei. Ich will, das du ihr hilfst es zu beheben.
Nicolas:
„Natürlich, was soll ich tun?“
Raela:
„Mein Problem hat einen Namen: Pirsch-Dachse!“
Sie
wirkt plötzlich sichtlich aufgebracht.
Raela:
„Diese lästigen, haarigen Viecher fressen unsere Gemüsefelder
leer. Wenn wir genug von ihnen töten, werden sie sich vielleicht in
Zukunft von unserer Ernte fernhalten. Die Felder liegen draußen vor
dem Hof. Töte fünf von ihnen und bring mir die erlegten Tiere, ich
kann aus deren Fleisch ein paar leckeren Mahlzeiten zubeiten und die
Fälle können wir gut verkaufen. So würden die Biester wenigstens
einen Teil des angerichteten Schadens wieder gut machen!
[Eine
klassische Tutorial-Quest.]
Nicolas:
„Alles klar, ist schon so gut wie erledigt!
{Neue
Quest erhalten: „Immer auf den Dachs!“}
Ich
verabschiede mich und verlasse die beiden. Auf dem weg nach draußen
begegne ich Tamirat und Nina.
Nicolas:
„So, es sieht aus, als würden für mich ab hier die richtigen
Quests beginnen. Müsst ihr auch da rein?“
Nina:
„Die Frau sagte, wir sollen mit einem Saren sprechen.“
Nicolas:
„Ja, der ist wohl so was wie der Häuptling hier. Ich schlage vor,
dass ich hier auf euch warte. Wenn ihr fertig seid, sollten wir mal
schauen, wo die Anderen sind. Offenbar beginnen nicht alle in diesem
Hof.“
Tamirat:
„Es wäre gut, ihre neuen Gesichter zu kennen, damit wir uns später
wiedererkennen.“
Nicolas:
„Ja, und wenn wir uns alle gegenseitig auf die Freundesliste
nähmen, erleichtert das auch die Kommunikation. Man hätte auch die
Möglichkeit, Gruppen zu bilden.“
Tamirat
nickt und die Beiden betreten die Hütte.
Während
sie mit Saren reden, nutze ich die Zeit, um mich mit den
weitreichenden Menüs vertraut zu machen. Meine erste Maßnahme ist
es, einige wichtige Informationen permanent in meinem Sichtbereich,
dem sogenannten HUD, anzeigen zu lassen. Wichtig ist für mich im
Moment meine Lebens- und Magie-punkte anzeige, die Minimap und die
aktuelle Uhrzeit.
[Drei
Uhr nachts ...] Der Sonnenaufgang wird noch auf sich warten lassen.
Danach
schaue ich mir die pelzige Mütze an, die ich bekommen habe.
Abgesehen von einem Rüstungswert von 2, hat sie den nützlichen
Effekt, dass sie die Einsatzdauer meiner „Unterwerfen“ und
„Beschwören“ Skills um zehn Prozent reduziert. [Ist nicht die
Welt, aber immerhin.] Außerdem bietet sie mir einen Bonus auf
Kälteresistenz, aber angesichts des milden, sommerlichen Klimas hier
bezweifle ich, dass ich das in naher Zukunft brauchen werde.
Bei
der Gelegenheit werfe ich auch einen Blick auf die Werte meine
Stabes.
{Beschwörer-Stab
des Novizen}
{Schaden:
7-10}
{Alle
Beschworenen Wesen erhalten +10% HP und teilen 10% mehr Schaden aus,
solange der Beschwörer mitkämpft}
Gemeiner
kleiner Spezialeffekt. Wenn man den Bonus will, muss man sich selbst
die Hände schmutzig machen. Aber davon abgesehen … [Sieben bis
zehn Schaden … recht wenig] Mir wird klar, dass mir die
Größenvorstellung dieses Spiels von Schaden und Lebenspunkten gar
nicht bekannt ist. Beim Letzten Spiel das ich gespielt hatte, begann
ich mit 300 Lebenspunkten und meine erste Waffe machte 50 Schaden.
Ich werfe einen Blick auf meine eigenen Lebenspunkte.
{HP:
19/19}
[Was?
Nur 19 HP? …] Aber dafür 36 MP. Ich bin definitiv nicht als
Frontkämpfer geeignet.
Als
ich mich gerade den Skills zuwenden möchte, um zu schauen wie meine
Fähigkeiten genau funktionieren, fällt mir auf der Minimap ein
weißer Punkt auf, der sich aus dem dunklen, unerforschten Bereich
her, dem Hof nähert. [Ein NPC? …] Ich vergleiche die Punkte, die
den umher stehenden Leuten hier entsprechen. [Nein, die sind grau …
Ein Spieler?“] Ich schließe das Menü und erwarte die Ankunft des
Unbekannten.
Nur
wenige Sekunden später kommt ein mittelgroßer, blonder Mann, mit
zerzauster Frisur durch den breiten Eingang. Seine orientalisch
anmutende, breite Hose, der dünne Schal den er als Gürtel trägt
und vor allem das breite Stirnband, das sein Haar zusammenhält,
geben ihm ein recht rebellisches Erscheinungsbild. Abgesehen von der
leichten Lederrüstung ist seine Kleidung recht Bunt, wenn auch etwas
blass. Beinahe so, als wäre die Farbe während der langen
Wüsten-Wanderungen, von der Sonne raus gebrannt worden. Um die Brust
trägt er einen Gürtel mit Wurfmessern und einigen anderen Sachen,
die ich nicht einordnen kann. An der Hüfte erkenne ich einen Krummen
Dolch in einer passenden Scheide.
Er
bleibt kurz stehen, schaut sich im Hof um und beginnt dann die Leute
der Reihe nach anzuvisieren. Ich tue das mit ihm auch, aber sein Name
ist mir Fremd:
{Hermes}
Als
er mit dem Anvisieren bei mir ankommt, hebt er grüßend die Hand:
???:
„Yo, Nic'!“
Nicolas:
„ … Sammy, ich hätte es mir denken können!“
Er
kommt zu mir rüber.
Sammy:
„Alleine hier?“
Nicolas:
„Ich warte auf Tamirat und Nina. Haben wir nicht ausgemacht, das
wir unsere echten Namen verwenden? Es war immerhin deine Idee!“
Sammy:
„Hab ich auch, aber das was so lang, da habe ich alles bis auf den
Spitznahmen ausgeblendet.“
Nicolas:
„Das geht?“
Sammy:
„Ja, schau mal in den Einstellungen.“
Ich
lasse mir die Option von ihm zeigen.
Sammy:
„Übrigens, wir treffen uns nachher, gegen fünf, in der Taverne.“
Nicolas:
„Ach, hier gibt es eine Taverne?“
Sammy:
„Hier durchs Tor raus und dann links, dann kommst du zum Dorf. Wir
wollten uns erst mal organisieren, bevor alle auseinander laufen.“
Nicolas:
„Ja, das Gleiche haben wir uns auch schon gedacht.“
Sammy:
„Alles klar, dann schau ich mal wo der Rest unserer Meute ist.
Cooles Outfit übrigens!“
Nicolas:
„Danke, deines aber auch!“
Wir
verabschieden uns freundschaftlich und er geht hastig davon. Nur
wenige Momente danach öffnet sich die Tür zu Sarens Hütte und Nina
tritt wieder heraus … allein. Sie schaut sich ein wenig suchend um
und kommt dann auf mich zu.
Nicolas:
„Na, alles fertig?“
Sie
Nickt.
Ich
versuche meiner Stimme einen absichtlich heiteren Ton zu geben.
Nicolas:
„Wo hast du Tamirat gelassene, philosophiert er mit dem
Dorfältesten über denn Sinn des Lebens?“
Das
könnte ich ihm locker zutrauen.
Nina:
„Ahm … nein, ich war alleine drin ... Wir sind zwar zusammen rein
gegangen, aber als ich drin war, war ich er nicht mehr da. Ich dachte
er wäre wieder rausgegangen ...“
Sie
schaut sich wieder im Hof um.
Nicolas:
„Nein, ich habe euch eindeutig beide rein gehen sehen. Hmm … Ich
vermute dass das vom Spiel so gewollt ist. Jeder bekommt seine eigene
Schanze mit wichtigen Personen zu reden. Solche Quest Bereiche werden
In vielen Spielen in Instanzen aufgeteilt.“
Nina:
„ … Ach so … „
Sie
schaut zur Hütte, als wäre sie nicht ganz davon überzeugt.
Nicolas:
„Du hast übrigens um Haaresbreite Sammy versäumt. Er hatte die
selbe Idee wie wir und organisiert jetzt, das sich nachher alle in
einer Taverne treffen.“
Nina:
„Ah, ok.“
Nicolas:
„Wie kommst du soweit mit dem Spiel zu recht?“
Nina:
„Ahm … ich komme klar, denke ich ...“
Nicolas:
„Wahrscheinlich bekommst du als Jägerin auch bald deinen
Tier-Begleiter. Hast du schon eine Idee was für einen du haben
willst?“
Nina:
„Ahm … Ich weiß nicht … welche gibt es den?“
Nicolas:
„Genau weiß ich das auch nicht. In den Werbevideos gab es eine
Jägerin mit einem Panther. Ich hab' auch welche mit einem großen
Wolf gesehen.“
Nina:
„Oh … wirklich? ...“
Alleine
die Vorstellung scheint ihr schon Angst zu machen.
Nicolas:
„Ähm, da gibt es aber sicher auch niedlichere Optionen ...“
Nina:
„ … “
[Ich
weiß wieder nicht was sie denkt.]
Wir
reden mit ihr noch ein wenig über Belanglosigkeiten. Es dauert
tatsächlich noch über 10 Minuten bis Tamirat schließlich raus
kommt. Ungeachtet meiner Zusicherung das alles in Ordnung ist, sieht
Nina jetzt doch erleichtert aus, dass er wohlauf ist. Ich weihe ihn
kurz in Sammys Pläne ein und widme mich ohne Umschweife einem Thema
zu, dass mir schon ordentlich unter den Fingern brennt:
Nicolas:
„Habt ihr von Saren auch eine Quest bekommen?“
Tamirat:
„Ich soll die Pirsch-Dachse von den Feldern vertreiben.“
Nina:
„Ja, ich auch.“
Nicolas:
„Super, wir haben die gleiche Quest! Ich schlage vor, wir formen
eine Gruppe und erledigen das zusammen. Was meint ihr?“
Niemand
hat Einwände.
Ich
lade die Beiden über ein Auswahlmenü in Eine Gruppe ein. Als
Gruppenführer bietet sich mir die Möglichkeit festzulegen, wie
Erfahrung und Beute in der Gruppe verteil wird und ich wähle eine
möglichst gerecht Option. Beides soll gleichmäßig aufgeteilt
werde, unabhängig davon, wer wie viel Schaden verursacht, oder wie
viele Gegner getötet werden.
[Zeit
für die erste Action!]
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